Gleich vorweg muss ich klarstellen, ich habe das Buch “Prolokratie” von Christian Ortner nicht gelesen, meine Kritik bezieht sich daher nur auf die Zitate, Kommentare und andere Sekundärliteratur. Anführen und empfehlen möchte ich insbesondere zwei Buchrezensionen, die von Clara auf subtext.at und die von Dominik auf neuwal.at.
Zugegeben, jede intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit Politik und Wahlverhalten führt früher oder später zu dem Gedanken “wie blöd sind die Leute eigentlich, dass sie so jemand so zahlreich wählen”.
Die richtige Reaktion darauf ist es aber nicht, nach einem “Demokratiebefähigungsnachweis” zu verlangen, sondern zu überlegen wie man erstens politische Bildung besser machen kann und zweitens wie man komplexe Themen so erklären und aufbereiten kann, dass sie von einer Mehrheit verstanden werden. Ich bin überzeugt, dass geht fast immer. Jedenfalls bei allen Themen, die üblicherweise “die Massen bewegen”.
Die erwähnten Ideen von Ortner wie privatisiertes Bildungssystem, Infragestellen von Transferleistungen oder eben “Demokratiebefähigungsnachweis” sind ausschließlich dazu geeignet, die Spaltung der Gesellschaft zu vertiefen. Und damit auch die Spannungen und Probleme zu vergrößern. Besser, im Sinne des sogenannten “Sozialen Friedens”, wird davon nichts.
Und was mich am meisten stört: “ein ergebnisoffener Diskurs über Demokratie, wie über den Kapitalismus”? Wie Bitte?
Einmal abgesehen davon dass es keinen Diskurs über den Kapitalismus gibt, schon gar keinen ergebnisoffenen, sondern lediglich kritische Einzelstimmen – aber das ist eine andere Geschichte.
Davon wie gesagt abgesehen: Ein Diskurs über Demokratie? Ergebnisoffen? Schon klar das er auf den berühmten wohlwollenden Diktator hinauswill, mit dem in unschöner Regelmäßigkeit Neoliberale, Rechte und Himmelsspringer kokettieren.
Aber jemand der ernsthaft Demokratie in Frage bzw. zur Diskussion stellt, delegitimiert sich als Teilnehmer eines politischen Diskurses selbst. Christian Ortner kann meinetwegen in China sein Glück versuchen wenn er das System dort für nachahmenswert hält (wie auch immer das zur Selbstdefinition als Neoliberaler passt).
Man kann über vieles reden, über Wahl- und Regierungsmodelle, über mehr oder weniger Bürgerbeteiligung. Aber Demokratie ist nicht diskutierbar. Genausowenig wie man über eine Legitimation von Rassismus oder Völkermord diskutieren kann. Manche Ideen sind einfach falsch. Punkt. Und das hat auch nichts mit Meinungsfreiheit zu tun sondern mit Menschenrechten, die sind auch nicht verhandelbar.
Update am 6.12.:
Weils dazu passt, noch eine Empfehlung:
Ein lesenswerte Antwort auf einen Artikel von Christian Ortner hat Michel Reimon in seinem Blog geschrieben.