Mikl-Leitner hat offenbar keine Skrupel irgendwelche Spielchen auf Kosten der Schwächsten zu machen. Das ist schäbig und herzlos. Aber ich glaube nicht, dass sie das aus Spaß macht, sie verfolgt damit ein Ziel.
Bisher dachte ich, sie ist wie der Rest der ÖVP der Meinung, mit “Härte” könnten sie WählerInnen vom Abwandern zur FPÖ abhalten. Dass dieser Plan seit Jahrzehnten nicht klappt ist offenbar kein Hindernis.
Gestern hat dann Matin Thür etwas getwittert, das meinen Blickwinkel verändert hat:
@michelreimon Weniger verlieren ist aus Sicht von S und V schon ein Sieg.
— Martin Thür (@MartinThuer) June 11, 2015
Für ÖVP und SPÖ geht es vor allem darum, vor dem jeweils anderen zu sein, also weniger zu verlieren als der andere. Dabei ist es fast egal, wer die verlorenen Stimmen bekommt. Politik ist hier nicht ein Wettbewerb von Ideen, sondern ein Strategiespiel, bei dem der gewinnt, der am Ende die meisten hohen Posten hat.
Nach den Wahlen im Burgenland und in der Steiermark reden und schreiben Alle von der Situation (in) der SPÖ. Viel spannender scheint mir da die Rolle der ÖVP zu sein. Berührungsängste mit der FPÖ gibt es bei den Schwarzen nicht mal als leichtes Zieren anstandshalber wie bei den Roten. Das Märchen von der Zähmung Haiders durch die Regierungsbeteiligung hält sich hartnäckig auch außerhalb der ÖVP. Ahnvater Schüssel hat aus ÖVP Sicht alles richtig gemacht.
Zurück zur Innenministerin. Was wäre, wenn sie ganz genau weiß, was sie tut? Wenn sie zuerst die Zeltlager und jetzt das Aussetzen von Asylverfahren taktisch einsetzt? Damit Druck auf die anderen Europäer auszuüben war mein erster Gedanke, aber die lassen sich so sicher nicht beeindrucken.
Auf wen wirkt sonst noch der Druck (die Asylwerber natürlich, aber die spielen für Mikl-Leitner kein Rolle)? Die Drohkulisse eines unbewältigbaren Flüchtlingsstroms, die hier aufgebaut wird, hilft der FPÖ mehrfach. Ihre Asyl-Geschichte wird bestätigt, und gleichzeitig die Hilflosigkeit der Regierung deutlich gemacht. Die FPÖ gewinnt stark, mehr von der SPÖ als von der ÖVP. Die Handlungen von Mikl-Leitner sind vor allem für die SPÖ politisch unangenehm. Das dabei auch die ÖVP schlecht ausschaut ist egal, Hauptsache die SPÖ schaut noch schlechter aus. Die beiden verbleibenden Wahlen dieses Jahr sind für die ÖVP nicht mehr so wichtig. In Oberösterreich ist man ziemlich unangefochten. Die 50% im Landtag wird man zwar nicht halten können, aber es wird auch weiterhin kein Weg an der OÖVP vorbeiführen. In Wien spielt die ÖVP schon jetzt keine Rolle, das Ergebnis wird wenig mehr als eine Fußnote sein. Für die SPÖ geht es aber in beiden Wahlen um viel. In Oberösterreich droht die FPÖ zweite zu werden und die Wahl in Wien ist aus SPÖ Sicht ohnehin die Mutter aller Wahlschlachten.
Wenn an der Regierung mehr Dreck hängen bleibt, als Faymann weglächeln kann, hat die ÖVP ja noch eine blaue Option. Womöglich arbeiten Lopatka und andere hinter den Kulissen schon intensiv daran. Auch das halbherzige Dementi Mitterlehners, er plane keinen fliegenden Wechsel zu schwarz-blau ist nichts Wert. Erstens ist er notfalls situationselastisch genug um einen zwingenden Grund zu finden, und zweitens sind Neuwahlen schnell vom Zaun gebrochen, wenn die SPÖ innerparteilich weiter aufgerieben wird.
Und noch eine kleine inhaltliche Inkonsistenz dabei: wenn alle Asylverfahren bewusst verschleppt werden, schnellt die Zahl der Asylwerber in Betreuung rasch in die Höhe. Damit hilft die Maßnahme nicht bei der Geschichte mit dem unbewältigbaren Ansturm. Vielleicht ist aber auch genau das gewollt.
Kurz gesagt: ich halte es für nicht unwahrscheinlich, das die ÖVP und Mikl-Leitner die Asylmisere absichtlich eskaliert, um der SPÖ bei den Landtagswahlen und auch im Bund zu schaden.